Tag 3
Nachdem gestern eine große Menge an
Schmerz kam, dachte ich ja, das Schlimmste wäre überstanden, aber
Pustekuchen. Nicht nur, dass die Meditation weiterhin jede Menge
Erinnerungen an die Oberfläche befördert- nein, jetzt fängt auch
noch mein ganzer Körper an, wehzutun.
Logischerweise, denn bei tagelangem
Sitzen ohne irgendwelche Bewegung ( man kann nicht mal
spazierengehen, weil das Gelände zu klein ist, aber dafür wäre
ohnehin keine Zeit) ist ja nichts anderes zu erwarten.
Hibbelig bewege ich mich von einer
Position in die andere und wieder zurück, möglichst geräuschlos um
die anderen nicht zu stören. Um ehrlich zu sein, es macht herzlich
wenig Unterschied – egal wie ich sitze, weh tut es trotzdem.
Interessanterweise fühle ich mich aber
hinterher besser. Ein bisschen wie beim Ballett: erst quält man
seinen Körper ein wenig und anschließend geht es einem besser.
Wenn ich koche, brennt mir das Essen
immer an, weil ich keine Geduld habe, neben dem Herd stehenzubleiben.
Hier hab ich gar keine andere Wahl.
Nach drei sehr harten Tagen fühle ich
mich geschafft, aber denke komischerweise nicht daran, aufzuhören.
Ins Bett fallen und Schlafen.
Tag 4
Dong Dong Dong. Um vier Uhr aus dem
Schlaf gerissen zu werden ist nicht schön, und ich hab mich immer
noch nicht daran gewöhnt. Mein Kopf ist genauso müde wie ich und
ich frage mich, wie ich bloß diesen Tag überstehen soll. Wie in
Trance zur Meditationshalle stolpernd, sehe ich die Frauen alle aus
ihren Zimmern kommen und eine Masse an Menschen, in weiße Tücher
gehüllt, strömt in Richtung Halle. Es sieht vollkommen gespenstisch
aus, der Vollmond, die Dunkelheit und dazwischen alle diese weißen
Gestalten, gepaart mit vollkommener Stille.
Heute lernen wir die Vipassana Technik.
Sehr heruntergebrochen geht es dabei um Folgendes:
Die Ursachen unseres Unglücks liegen
in Wünschen /Verlangen sowie in negativen Gedanken wie Ärger, Hass
und so weiter. Diese äußern sich über Körperempfindungen, so
genannte Sensations. Das kann Schweiß sein oder Schmerz, Hitze und
Kälte, Kribbeln, Kitzeln, Stechen, Jucken, Prickeln...
Um also diese Empfindungen loszuwerden,
die sich im Unterbewußten abspielen, muss man lernen, diese
Sensations wahrzunehmen und neutral zu beobachten, ohne dabei weitere
Gefühle zu produzieren. Observing the reality as it is.
Man kann von dieser Theorie halten, was
man will – ich kann jeden verstehen, der das als kompletten Humbug
bezeichnet. Aber erstaunlicherweise funktioniert es, nicht nur für
mich sondern für Hunderttausende Menschen überall auf der Welt.
Viele viele Anläufe später werden wir
erlöst und dürfen endlich eine Stunde mit Grandpa Goenka auf der
Mattscheibe verbringen. Aus unerfindlichen Gründen fängt Amy auf
einmal an zu lachen und steckt uns alle damit an. Ein riesiger
Lachanfall. Eigentlich dürfen wir uns nichtmal angucken, aber das
verhindert nicht, dass wir eine Viertelstunde nicht aufhören können,
zu lachen.
Die Männer, die auf der anderen Seite
des Raumes hinter der Trennwand sitzen, müssen uns für absolut
bekloppt halten. Egal, das rettet irgendwie den Tag und macht das
Hiersein leichter.
Tag 5
Ich bin so unglaublich müde. In dem
Zustand ist es ganz schön schwer, sich gegen seine Ängste, Ärger,
Wünsche und was noch so alles in meinem Unterbewußten feststeckt,
zu wehren. Egal, ich gebe nicht auf. Meditieren, meditieren und
meditieren. Und wenn ich nicht meditieren kann, weil meine Gedanken
wandern, dann zwinge ich mich, trotzdem sitzen zu bleiben und
stillzuhalten, bis es wieder besser wird.
Kennt ihr das – wenn man weiss, dass
man gerade bloß nicht lachen darf zB und dann gar nicht anders kann,
als anzufangen zu lachen? Wenn man weiss, dass man stillsitzen soll,
fängt unter Garantie überall am Körper etwas an zu jucken, zu
krabbeln oder ähnliches. Es macht mich fast wahnsinnig, aber auch
das wird in den nächsten Tagen besser. Bloß doof, dass man das
immer erst hinterher weiß. Aber ich will nicht so tun, als ob es nur
um äußere Effekte geht.
Dinge, die ich auf einer
intellektuellen Ebene längst verstanden habe, beginne ich auf einmal
richtig zu begreifen. Auf eine gewisse Art und Weise fühle ich sie.
Hoffentlich hält das länger an als nur die nächsten paar Tage.
To be continued
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen