Dienstag, 14. Februar 2012

Pain is weakness leaving your body


Tag 3

Nachdem gestern eine große Menge an Schmerz kam, dachte ich ja, das Schlimmste wäre überstanden, aber Pustekuchen. Nicht nur, dass die Meditation weiterhin jede Menge Erinnerungen an die Oberfläche befördert- nein, jetzt fängt auch noch mein ganzer Körper an, wehzutun.
Logischerweise, denn bei tagelangem Sitzen ohne irgendwelche Bewegung ( man kann nicht mal spazierengehen, weil das Gelände zu klein ist, aber dafür wäre ohnehin keine Zeit) ist ja nichts anderes zu erwarten.
Hibbelig bewege ich mich von einer Position in die andere und wieder zurück, möglichst geräuschlos um die anderen nicht zu stören. Um ehrlich zu sein, es macht herzlich wenig Unterschied – egal wie ich sitze, weh tut es trotzdem.
Interessanterweise fühle ich mich aber hinterher besser. Ein bisschen wie beim Ballett: erst quält man seinen Körper ein wenig und anschließend geht es einem besser.
Wenn ich koche, brennt mir das Essen immer an, weil ich keine Geduld habe, neben dem Herd stehenzubleiben. Hier hab ich gar keine andere Wahl.
Nach drei sehr harten Tagen fühle ich mich geschafft, aber denke komischerweise nicht daran, aufzuhören. Ins Bett fallen und Schlafen.

Tag 4

Dong Dong Dong. Um vier Uhr aus dem Schlaf gerissen zu werden ist nicht schön, und ich hab mich immer noch nicht daran gewöhnt. Mein Kopf ist genauso müde wie ich und ich frage mich, wie ich bloß diesen Tag überstehen soll. Wie in Trance zur Meditationshalle stolpernd, sehe ich die Frauen alle aus ihren Zimmern kommen und eine Masse an Menschen, in weiße Tücher gehüllt, strömt in Richtung Halle. Es sieht vollkommen gespenstisch aus, der Vollmond, die Dunkelheit und dazwischen alle diese weißen Gestalten, gepaart mit vollkommener Stille.
Heute lernen wir die Vipassana Technik. Sehr heruntergebrochen geht es dabei um Folgendes:
Die Ursachen unseres Unglücks liegen in Wünschen /Verlangen sowie in negativen Gedanken wie Ärger, Hass und so weiter. Diese äußern sich über Körperempfindungen, so genannte Sensations. Das kann Schweiß sein oder Schmerz, Hitze und Kälte, Kribbeln, Kitzeln, Stechen, Jucken, Prickeln...
Um also diese Empfindungen loszuwerden, die sich im Unterbewußten abspielen, muss man lernen, diese Sensations wahrzunehmen und neutral zu beobachten, ohne dabei weitere Gefühle zu produzieren. Observing the reality as it is.
Man kann von dieser Theorie halten, was man will – ich kann jeden verstehen, der das als kompletten Humbug bezeichnet. Aber erstaunlicherweise funktioniert es, nicht nur für mich sondern für Hunderttausende Menschen überall auf der Welt.
Viele viele Anläufe später werden wir erlöst und dürfen endlich eine Stunde mit Grandpa Goenka auf der Mattscheibe verbringen. Aus unerfindlichen Gründen fängt Amy auf einmal an zu lachen und steckt uns alle damit an. Ein riesiger Lachanfall. Eigentlich dürfen wir uns nichtmal angucken, aber das verhindert nicht, dass wir eine Viertelstunde nicht aufhören können, zu lachen.
Die Männer, die auf der anderen Seite des Raumes hinter der Trennwand sitzen, müssen uns für absolut bekloppt halten. Egal, das rettet irgendwie den Tag und macht das Hiersein leichter.

Tag 5

Ich bin so unglaublich müde. In dem Zustand ist es ganz schön schwer, sich gegen seine Ängste, Ärger, Wünsche und was noch so alles in meinem Unterbewußten feststeckt, zu wehren. Egal, ich gebe nicht auf. Meditieren, meditieren und meditieren. Und wenn ich nicht meditieren kann, weil meine Gedanken wandern, dann zwinge ich mich, trotzdem sitzen zu bleiben und stillzuhalten, bis es wieder besser wird.
Kennt ihr das – wenn man weiss, dass man gerade bloß nicht lachen darf zB und dann gar nicht anders kann, als anzufangen zu lachen? Wenn man weiss, dass man stillsitzen soll, fängt unter Garantie überall am Körper etwas an zu jucken, zu krabbeln oder ähnliches. Es macht mich fast wahnsinnig, aber auch das wird in den nächsten Tagen besser. Bloß doof, dass man das immer erst hinterher weiß. Aber ich will nicht so tun, als ob es nur um äußere Effekte geht.
Dinge, die ich auf einer intellektuellen Ebene längst verstanden habe, beginne ich auf einmal richtig zu begreifen. Auf eine gewisse Art und Weise fühle ich sie. Hoffentlich hält das länger an als nur die nächsten paar Tage.

To be continued

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