Vorbemerkung:
Dies ist ein sehr persönlicher Erfahrungsbericht und ganz sicher wird jeder, der so einen Kurs gemacht hat, das anders wahrnehmen. Am Ende werde ich auch nochmal eine Einschätzung abgeben, aber erstmal chronologisch vorgehen, damit ihr meine Entwicklung nachvollziehen könnt.
Wenn ihr die Technik besser verstehen wollt, könnt ihr zB hier schauen: Vipassana oder hier Wikipediaeintrag oder einfach Vipassana googlen.
Da ich euch nicht so viel Text auf einmal zumuten will (und mir nicht so viel schreiben), werde ich mehrere Teile nacheinander posten.
Tag 0:
Dieser Kurs macht mir gerade mehr Angst
als aus einem Flugzeug zu springen oder ein halbes Jahr alleine durch
die Gegend zu fahren. Worauf habe ich mich da eingelassen?
Und wieso?
Aber ich will das durchziehen, ich will
diese Technik richtig lernen, die schon während ich zuhause den Kurs
gemacht habe, meine komplette Gefühlswelt geändert hat.
Als ich ankomme, stolpere ich in ein
riesiges Chaos.
Die Ankunftshalle ist vollgestopft mit
Menschen, Taschen, alle wuseln durcheinander. Ich kann niemanden
entdecken, der offensichtlich nicht aus Kambodscha kommen würde.
Viele wirklich alte Menschen, einige
bestimmt schon weit über 70.
Die meisten Frauen haben ihren Kopf
rasiert, was anscheinend auf dem Weg zur Erleuchtung helfen soll ( wie weiss ich nicht). Alle reden durcheinander, niemand kann Englisch, ich weiss nicht wo ich hinmuss oder was ich machen soll.
Für ungefähr fünf Minuten möchte ich am liebsten wieder umdrehen. Dann entdecke ich ein großes, braunhaariges Mädchen, das ganz offensichtlich nicht aus Kambodscha ist (viel zu groß dafür :) Zum Glück haben wir ein bisschen Zeit, bis der Kurs beginnt und können uns noch unterhalten. Ungefähr eine Viertelstunde später habe ich fünf neue Freundinnen - Amelia, Amy, Corrie, Michal und Elizabeth. Mit den Männern dürfen wir eh nicht mehr reden und mit den Khmer Frauen kann ich sowieso nicht sprechen, von daher ist es eigentlich eine Zweckgemeinschaft, aber wir verstehen uns wunderbar.
Dann wird es ernst. Der Kurs startet mit einer Abendmeditation und dem ersten Teil des so genannten "Diskurs", was bedeutet dass der Oberlehrer uns eine Stunde auf Video vollsabbelt - immerhin ganz lustig.
Ab jetzt kein Sprechen mehr, unsere Bücher/Fotoapparate/Computer/Schokoladenvorräte/Notizblöcke, alles ist abgegeben und sicher verwahrt.
Um neun Uhr geht es ins Bett - so früh war ich glaube ich nicht mehr im Bett, seit ich 10 war.
Das Bett hat den Namen eigentlich nicht verdient, es ist ein Holzbrett mit einem Stück Schaumstoff darauf.
Aber mit der Decke darunter und wenn man müde genug ist, geht auch das.Licht aus, Schlafen. Bloß nicht über morgen nachdenken. Zum Glück sind die Mädels da, das macht es irgendwie einfacher.
Tag 1
Gestern hatten wir noch Sorge, dass wir nicht aufwachen. Grundlos. Der Gong ist laut und pünktlich.
4 Uhr. Aufstehen, in die Klamotten fallen, in die Halle stolpern, meditieren.
Die ersten drei Tage sind nur Atemarbeit, aber auch das erfordert schon jede Menge Konzentration.
Noch nie war mir so bewusst, wie unstabil das Gehirn arbeitet.
Versucht es mal- setzt euch im Schneidersitz auf den Boden und versucht, den Atem in der Nase zu spüren.
Ich wette es dauert keine fünf Minute, bis eure Gedanken völlig woanders sind. Beim zweiten Anlauf wieder - alle 30 Sekunden. Es wird zwar besser, aber ganz weggehen wird es die ganzen zehn Tage nicht.
Anscheinend ist das normal. Nerven tut es trotzdem.
Die Gedankenkreisel drehen sich erst um das ganze alltägliche Zeug, eben das, worüber man so nachdenkt wenn man abends im Bett liegt oder so. Irgendwann kommen ganz viele alte Erinnerungen hoch, ein paar schöne, aber vor allem viele unschöne.
Nicht Sprechen fällt mir gar nicht so schwer. Das Aufstehen ist entsetzlich früh, aber irgendwie schaffe ich auch das. Am Anfang bereitet mir vor allem das Essen Probleme. Dreimal am Tag Reispampe mit Gemüsepampe. Heute muss ich mich beinahe zweimal übergeben. Große Erleichterung, als uns Grandpa Goenka (so hat Amy ihn getauft) in seinem Video erzählt, dass am Anfang der Körper und der Geist gegen das Ungewohnte ankämpfen und das sich das in den nächsten Tagen legen wird. (Stimmt übrigens).
Erster Tag überstanden, 9 to go.
Tag 2
Grandpa Goenka hatte uns vorgewarnt. Der zweite Tag wird nicht lustig. Nein ist er nicht. Definitiv nicht.
Während wir da in der Halle sitzen und vor uns hinmeditieren, kommt der Schmerz hoch.
Interessanterweise nicht nur die Momente, in denen andere Menschen mich verletzt haben, sondern auch alle Momente, in denen ich andere verletzt habe, unabsichtlich und manchmal auch absichtlich. Und die Sorte Schmerz ist schlimmer, denn um mal ein Song-Zitat zu bemühen: There is no one else to blame.
Verzeiht mir den kitschigen Vergleich, aber es fühlt sich ungefähr so an, als würde man durch ein Meer aus Schmerz schwimmen, um das andere Ufer zu erreichen. Das in den nächsten Tagen tatsächlich am Horizont auftaucht, was ich aber da noch nicht weiss. Es berührt mich schon sehr und ich muss auch zwischendrin mal weinen ( ich glaube wir alle), aber es fühlt sich an, als würde der Schmerz meinen Körper verlassen und insofern ist es nicht nur negativ und es geht damit auch keine Verzweiflung einher.
Erstaunlich was der Geist zu Tage fördert, was man längst vergessen hat.
Aber es fühlt sich auch an, als ob man mit jedem einzelnen dieser Gedanken seinen Frieden schließen würde und sie sich dann verabschieden.
Erstaunlicherweise kann ich nach diesem Tag sogar schlafen, was ich nicht erwartet hätte - wahrscheinlich bin ich einfach zu müde.
To be continued...
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